© Sandra Then
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© Hofmann&Lindholm

noch nicht

Intervention / Desinformationsübung / Inszenierung

Unsichere Zeiten. Das Prekariat wächst, die Staatsschulden nehmen zu, die Furcht vor Kriminalität und Terrorismus steigt, die Souveränität der Privatsphäre schwindet. Anlass genug, den Begriff Sicherheit zu überdenken und sich zur Wahrung des Besitzstandes auf Abwege zu begeben. Gemeinsam mit fünf Kompliz_innen machen sich Hofmann&Lindholm im öffentlichen Raum der Stadt Köln auf die Suche nach potentiellen Wertdepots und führen zahlreiche verdeckte Aktionen durch. Die Inszenierung schließt sich den gemachten Erfahrungen an: In 'noch nicht' werden vermeintliche Barrieren durchdrungen, die Blastbarkeit von Oberflächen erprobt und tote Briefkästen zu neuem Leben erweckt.

Mit: Burkhard Bier, Andrea Boehm-Tettelbach, Tobias Fritzsche, Roland Görschen und Lara Pietjou
Konzept, Text, Regie, Kamera, Schnitt, Ton: Hannah Hofmann, Sven Lindholm
Filmanimation: Frank Schmidt
Raum: Thomas Dreissigacker, Hannah Hofmann, Sven Lindholm
Dramaturgie: Götz Leineweber
Licht: Michael Frank
Freie Mitarbeit: Aline Benecke, Sebastian Kreyer

'noch nicht' ist eine Koproduktion von Hofmann&Lindholm mit dem Schauspiel Köln, die 2009 mit dem Theaterpreis der Stadt Köln ausgezeichnet wurde. 2011 entstand - ebenfalls unter der Regie von Hofmann&Lindholm - eine Hörfassung, die von Deutschlandradio Kultur urgesendet und anschließend vom Westdeutschen Rundfunk übernommen wurde.

Auszug aus der Laudatio:

Hofmann&Lindholm beherrschen das Jonglieren mit Fragen der Realität und Authenzität, von Spiel und Rolle virtuos und man muss nicht darauf hinweisen, dass die Bedeutung dieser Begriffe weit über das Theater hinausweist. So funktionieren ihre Stücke zugleich als Seismographen einer gesellschaftlichen Normativität, die minutiös auf Spielräume des Individuellen abgetastet wird. »noch nicht« nimmt die Bedrohung der Privatsphäre ernst und macht den Versuch, mitten in der Wirtschaftskrise nach Werten zu fragen und das subjektiv Wertvollste dann coram publico in Sicherheit zu bringen. Es geht darum, den Gerinnungsprozess des Privaten wie des Öffentlichen an einzelnen Stellen zu verflüssigen; den Umschlag vom einen ins andere zu beobachten. Der Platz von Hofmann&Lindholm ist dabei immer am Scheitelpunkt der kommunizierenden Röhren. So klug, so virtuos und so unterhaltsam wie in »noch nicht« wurde man schon lange nicht mehr in eine erkenntnisreiche Irre geführt - dafür gebührt Hannah Hofmann und Sven Lindholm der Kölner Theaterpreis 2009. (Hans-Christoph Zimmermann)

Termine
24. – 25. März 2010
Schauspiel Köln
13. – 14. Dezember 2009
Schauspiel Köln
2. – 3. Dezember 2009
Schauspiel Köln
24. November 2009
Schauspiel Köln
21. November 2009
Schauspiel Köln
19. November 2009
Schauspiel Köln
1. November 2009
Schauspiel Köln
28. – 30. Oktober 2009
Schauspiel Köln
15. – 16. Oktober 2009
Schauspiel Köln
11. Oktober 2009
Schauspiel Köln
9. Oktober 2009
Uraufführung

Schauspiel Köln
Rezensionen
aKT.7, 11/2009
Die Kölner Theatermacher Hofmann&Lindholm sind ausgefuchste Dialektiker und Artisten im Spiel mit der Wahrnehmung. Nichts ist so, wie es scheint, und wenn, dann glaubt es niemand. ‚Noch nicht’ heißt ihre jüngste Versuchsanordnung, und die ist skurril ausgedacht und dramaturgisch glänzend auf die Bühne gebracht. [...] Das Duo Hofmann&Lindholm gehört zu den Theatermachern, die nicht Fiktion, sondern Wirklichkeit auf die Bühne holen, nicht Dramen abrollen lassen, sondern Versuchsanordnungen rekonstruieren. ‚Noch nicht’ kreist um das Thema Sicherheit, das immer mehr Raum greift im öffentlichen Leben, um den Kontrollwahn, der doch von den absurden Interventionen der Komplizen mühelos unterlaufen worden ist, ob das Experiment nun in einem alarmgesicherten Ladenlokal, einem Amt, einem Linienbus oder im Automatenraum einer Bank stattgefunden hat. [...] Geschichten werden gegeneinander geschnitten, verrätselt, so dass der Zuschauer die simpelsten Handlungen mit abenteuerlichen Bedeutungen auflädt. ... Der Abend spielt ein raffiniertes Spiel mit dem Publikum. Es wird auf Distanz gehalten, verwirrt, zum Komplizen gemacht und wieder seinen eigenen, wirren Spekulationen überantwortet. Verunsicherung ist nicht nur das Thema, sondern auch das Mittel, mit dem die Theatermacher arbeiten. Das Künstlerpaar Hofmann&Lindholm hat auf der Bühne der Schlosserei einen nachhaltigen, intelligent-unterhaltsamen, überraschenden und ironisch-aufklärerischen Theaterabend realisiert.
Dorothea Marcus
choices, 1. November 2009
Die Renaissance des toten Briefkastens
Theaterabende des Künstlerduos Hofmann&Lindholm sind Abende der Verunsicherung. Das kündigt ihr neues Stück „Noch nicht. Desinformationsabend für inoffizielle Mitarbeiter“, das in der Schlosserei des Kölner Schauspiels herauskam, schon im Titel an. Die Frage nach den Werten ist jedoch nur der Ausgangspunkt, denn Werte wollen gesichert sein. Wie üblich arbeiten Hofmann&Lindholm mit sogenannten „Komplizen“, also Laien, die im Vorfeld in den öffentlichen Raum delegiert wurden, um dort nach „sicheren“ Hohlräumen und Leerstellen zu fahnden, die einem zunehmend bedrohten privaten Raum vorzuziehen sind. „Noch nicht“ stellt die Resultate dieser Recherche als Theaterstück vor. So ver-tauscht Roland Görschen seinen Personalausweis mit dem Mustermann- Exemplar eines Fotoautomaten, installiert Tobias Fritzsche in einem fremden Haus einen (toten) Briefkasten, in dem er Teile seines Adressbuches deponiert. Das subjektiv Wertvollste wird konspirativ coram publico in Sicherheit gebracht und zugleich als individuelles Memento zurückgelassen. Dass die Aufführung am öffentlichen Ort „Theater“ vielleicht selbst eine verdeckte Intervention dieser „Komplizen“ mit den Zuschauern als Opfer sein könnte, potenziert den Reiz nochmals. Der Abend langweilt keine Minute, und das hat auch mit einer virtuosen Dramaturgie zu tun. Da ist einmal der Ton forschender Genauigkeit mit Angaben von Daten und Uhrzeit, der unversehens in Komik umschlägt, wenn die exakte Genealogie der Familie Mustermann ausgebreitet wird. Da sind die wiedergegebenen Statements einer Frau Keuner, die ohne Zweifel eine Nachfahrin von Brechts Herr Keuner ist. Zugleich entfaltet der Abend seine Spannung auf den Beginn eines ominösen „Testlaufs“ hin, der sich dann als Rückholaktion der Wertsachen entpuppt. Zurück bleibt die Erkenntnis, dass Sicherheit sowieso nirgends zu haben ist – schon gar nicht im Theater.
Hans-Christoph Zimmermann
Ruhr Nachrichten, 15. Oktober 2009
Aus den Berichten ihrer Komplizen haben Hofmann&Lindholm einen schillernden, von einer feinen Ironie durchzogenen Theatertext geformt. Und den bringen die Fünf nun selbst auf die Bühne. In den beiden kleinen Worten „noch nicht“ offenbart sich das Doppelbödige dieses Theaterabends. Noch ist es nicht so weit, dass die Menschen ihre wichtigsten Habseligkeiten verstecken müssten. Noch ist die Möglichkeit, alles hinter sich zu lassen, nicht wertvoller als das Zuhause. Aber es ist auch noch nicht so weit, dass man das Treiben der Komplizen als harmlos bezeichnen könnte. Schließlich hat ihre Aktion durchaus etwas von dem Vorgehen terroristischer Zellen. So wie sie Kleidung und Geld deponieren, könnten auch ganz andere Dinge an neuralgischen Stellen des öffentlichen Lebens platziert werden
General-Anzeiger, 13. Oktober 2009
Burkhard Bier ist Ankleider im Kölner Theater, und kaum etwas ist ihm so wichtig wie Kleidung. Die Krankenschwester Lara Pietjou wiederum macht kein Hehl aus ihrer Liebe zum Geld. Zusammen mit ihren Mitspielern Roland Görschen, Andrea Boehm-Tettelbach und Tobias Fritzsche formieren sie ein Quartett, das sich in dem sehenswerten Abend „Noch nicht“ des Regieduos Hofmann&Lindholm Gedanken über Werte und deren Sicherung macht. Mit ausgesuchter Höflichkeit stellen sich die fünf Akteure vor, geben diskret ein paar Eigenheiten preis und lassen dann in ihr individuelles Wertportfolio blicken. Für Tobias Fritzsche geht nichts über sein Adressbuch, Andrea Boehm-Tettelbach hängt an den Fotos ihrer Familie. Dabei werden aufklappbare Holzkästen präsentiert, in denen persönliche Favoriten wie Hemden, Geldbeutel oder Ausweise als Ausstellungsstücke in einem Herbarium der Werte aufgereiht sind. Theaterabende des Künstlerduos Hofmann&Lindholm sind Abende der Verunsicherung. Das kündig ihr neues Stück schon im Titel an. Die Frage nach den Werten ist jedoch nur der Ausgangspunkt, denn Werte wollen gesichert sein. Wie üblich arbeiten Hofmann&Lindholm mit sogenannten ‚Komplizen’, ... die im Vorfeld in den öffentlichen Raum delegiert wurden, um dort nach ‚sicheren’ Hohlräumen und Leerstellen zu fahnden, die einem zunehmend bedrohten privaten Raum vorzuziehen sind. ‚Noch nicht’ stellt die Resultate dieser Recherche als Theaterstück vor. So erzählt Andrea Boehm-Tettelbach, wie sie ihre Fotografien auf den Werbeflächen von Einkaufswagen anbringt. Tobias Fritzsche installiert in einem fremden Haus einen (toten) Briefkasten und deponiert darin Teile seines Adressbuchs. Roland Görschen vertauscht seinen Personalausweis mit dem Mustermnn-Exemplar eines Fotoautomaten. Das subjektiv Wertvollste wird konspirativ coram publico in Sicherheit gebracht und zugleich als individuelles Memento in der Öffentlichkeit zurückgelassen. Dass dieser Abend keine Minute langweilt, hat auch mit seiner virtuosen Dramaturgie zu tun. Da ist einmal der Ton forschender Genauigkeit mit präzisen Angaben von Daten, Uhrzeit und Detailbeobachtungen, der unversehens in verunsichernde Komik umschlägt, wenn die Genealogie der Familie Mustermann ausgebreitet wird. Zugleich entfaltet der Abend seine Spannung auf den Beginn eines ominösen ‚Testlaufs’ hin, der sich dann als Rückholaktion der Wertsachen entpuppt.
Kölner Stadtanzeiger, 11. Oktober 2009
Sicher ist sicher’, denkt sich Lara Pietjou und befestigt mit Hilfe einer treffend benannten Sicherheitsnadel den Briefumschlag, der einen Teil ihres Krankenschwesterngehalts birgt, unter dem Hocker in einer Filiale ihrer Hausbank. Das Kölner Regieduo Hannah Hofmann und Sven Lindholm hat für sein Debüt am Kölner Schauspiel fünf Menschen auf Expedition in Zonen geschickt, die sich zwischen dem privaten Rückzugsgebiet, dem öffentlichen Raum und dem Hausrechtsgebiet der großen Konzerne, Banken und Versicherungen auftun. Es gilt, den jeweils innigst gesicherten Schatz zu veräußern, der Öffentlichkeit anzuvertrauen und im selben Zug die Privatsphäre zu erweitern. Burkhard Bier, der gerne maßgeschneiderte Kleidung trägt, deponiert ausgesuchte Ensembles in den Umkleidekabinen und der Dekoration großer Kaufhäuser. Andrea Boehm-Tettelbach verziert mit den Bildern ihres Familienalbums die Stammkundenecke des Kaufhof-Restaurants und die Werbeflächen der Einkaufswagen im örtlichen Supermarkt. Tobias Fritzsche versteckt über lange Jahre angesammelte Briefe und Adressen in toten Briefkästen und in einem Vogelhäuschen im hoch gewachsenen Benjaminus Ficus in einem Innenhof des Spanischen Baus. Und Roland Görschen lässt die Buslinie 141 seinen Führerschein spazieren fahren. In der Schlosserei des Kölner Schauspielhauses berichten die fünf Laiendarsteller - Hofmann & Lindholm nennen sie ‚Komplizen’ - von ihren kleinen Interventionen in den geregelten Lauf der Dinge. Allerdings nicht in der ersten Person Singular. Biografisches bleibt außen vor, wer Erlebnisberichte erwartet hat, wird enttäuscht. Stattdessen hat das Regieteam den Text künstlerisch im Stile einer militärischen Operation durchgeformt. In einer früheren Arbeit sammelten Hofmann & Lindholm auf Theaterproben Text-Aussetzer der Schauspieler auf Film, weil sie dem psychologischen Aufgehen des Akteurs in seiner Rolle misstrauen. Bei der freitäglichen Premiere musste nun einer ihrer Komplizen mit einem schlimmen Blackout kämpfen. Da stellt sich die Frage, inwieweit die Regisseure durch ihre künstlerische Verfremdung des Erlebten den Selbst-Darstellern wieder Rollen zuweist. Ohne eine Antwort darauf zu haben, lässt sich sagen, dass dies den Abend spannender macht. Ebenso die Frage, welche der referierten Aktionen tatsächlich ausgeführt wurde. Dazu passend bewegen sich die Darsteller nach einer Choreografie, präsentieren in Holzkästen Exponate, die die Authentizität der Aktionen belegen sollen, sie gleichzeitig jedoch auch - etwa wenn ein Kasten nur eine ausgestopfte Taube und einen Silberkelch enthält - in den Bereich des Metaphorischen verweisen. Das gleiche geschieht, wenn eine Nachbarin Burkhard Biers als Stimme des Volkes zitiert wird und diese als Frau Keuner vorgestellt wird, in Anspielung auf eine literarische Figur Bert Brechts, mit dem sich Burkhard Bier die Initialen teilt. Die Inszenierung gibt sich angenehm nüchtern bis lässig, wie ja auch die beinahe schelmisch zu nennenden Handlungen der Darsteller im Großen und Ganzen nicht der Rede wert sind. Noch nicht, wie der Titel des Abends droht. Denn gerade in ihrer ausgestellten Harmlosigkeit sind sie doch wirkungsvolle Eingriffe in die Welt des Spektakels, wenigstens aber Versprechen derselben.
Kölnische Rundschau, 11. Oktober 2009
Wie Bürger Verdacht erwecken
Statt sich über den Zugriff der Staatsmacht auf ihre Bürger zu empören, arbeiten Hofmann&Lindholm subversiv und liefern die Verdachtsmomente, auf die die Organe des Innenministeriums reagieren könnten. Eine kunstvolle Form zivilen Ungehorsams, für die sie sich "Komplizen" suchen. Und damit sind nicht allein Persönlichkeiten wie Karin Beier gemeint, die ihnen ermöglichen, ihre Aktionen in der Schlosserei zu realisieren, sondern auch die Leute, die auf der Bühne agieren. Bei der Uraufführung von "Noch nicht" sind es fünf Personen (Burkhard Bier, Andrea Boehm-Tettelbach, Tobias Fritzsche, Roland Görschen und Lara Pietjou), in deren Auftritt Schauspiel, Aktion und Realität miteinander verschmelzen. Der komplette Abend besteht aus Protokollen, die vom Quintett gesprochen werden, als ginge es hier um andere Personen, tatsächlich scheinen die Akteure zu fiktiven Personen in einem Spiel zu werden. Man kennt jenen betont sachlichen Ton, der dennoch jedes Detail bedeutungsschwanger auflädt, aus dem Fernsehen. Was dort Kriminalfällen einen dramatischen Anstrich verleihen soll, wird hier für im Grunde harmlose Verrichtungen benutzt. Aber sie könnten Verdacht erwecken. ... Zugleich liegt etwas Zartes in der Genauigkeit, mit der hier über Alltägliches gesprochen wird. Und ganz nebenbei zeigt sich, dass zur Konsistenz unseres Realitätsbewusstseins mehr als die Summe der Einzelteile unserer Welt gehört. Ein interessantes Experiment bieten die beiden Realitätsforscher. Wie in einem Naturkundemuseum alter Prägung stellen sie gesellschaftliche Wirklichkeit auf der Bühne aus. Das ist politisches Theater ohne Aktion. Gegenstände werden gezeigt, Abläufe beschrieben, wir können die Welt wie ein Terrarium im Theater betrachten - durchaus liebevoll, denn die unerschöpfliche Geduld eines Zuhörers ist immer vorausgesetzt.
Thomas Linden
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