© Hannah Hofmann
Donalds Donald © Hannah Hofmann
© Hannah Hofmann

Donalds Donald

Radiosendung

Das Heizungsrohr von Frau X im zehnten Stock dient dem Nachbarn im neunten als „Folterinstrument“. Als sie die Lärmbelästigung nach einer Woche nicht mehr ertragen kann, ruft sie vom Balkon: „Du dreckiges Arschloch, Du arbeitslose Sau.“ Beim vierten Mal bekommt sie dafür eine Anzeige und versteht die Welt nicht mehr.

Donalds Donald beschäftigt sich mit Projektionen und Protektionen. Hierfür haben Hofmann&Lindholm Verdachtsmomenten Raum gegeben und Menschen in Deutschland zur Diffamierung eines (un)bekannten Gegenübers angeregt. Unter dem Deckmantel der Anonymität werden Machtphantasien in den eigenen vier Wänden verhandelt - projiziert auf die suspekte Nachbarschaft. In vertraulichen Vor-Ort-Gesprächen werden die Fremd-Vertrauten von Nebenan zur Zielscheibe für komplex-verdrehte Hypothesen und Unterstellungen - und das durchkomponierte Hörstück zur rasanten Mise-en-abyme. Stummer Zeuge menschlicher Abgründe, Kommandos und Hasstiraden: ein Haustier namens Donald.
Hannah Hofmann und Sven Lindholm inszenieren ausschließlich aus O-Tönen bestehende Szenarien, die erschreckend vertraut erscheinen und kommentieren dabei – ohne mit einer einzigen Silbe den amerikanischen Präsidenten oder gesellschaftliche Zustände in Deutschland zu erwähnen – die aktuelle, durch Ängste und Aggressionen geschürte, politische Gemengelage.

Audio-Trailer

STREAM

Mit: Nachbarn, denen Anonymität zugesichert wurde.
Realisation:
Hannah Hofmann und Sven Lindholm
Ton und Technik:
Peter Harrsch
Redaktion:
Tina Klopp

'Donalds Donald' ist eine Produktion des Deutschlandfunks mit dem Westdeutschen Rundfunk und dem Rundfunk Berlin-Brandenburg 2018.

Termine
1. April 2022
Deutschlandfunk
23. – 25. Juli 2021
Schaubüdchen
16. September 2019
Hörkiosk / Hamburg
18. August 2019
Hörspielwiese Köln
22. April 2019
Deutschlandfunk
23. Januar 2019
NDR
24. März 2019
SWR2
23. April 2018
1LIVE
22. April 2018
WDR 3
13. April 2018
Ursendung

Deutschlandfunk
Rezensionen
NDR Kultur, Januar 2019
Es ist DAS Radiostück zur psycho-aggressiven Verfasstheit der Welt, zwei Jahre nach dem Amtsantritt von Donald Trump.
Michael Becker
Zebrabutter, 27. Mai 2018
gestreift #151 - Die Links der Woche
Das dokumentarische Hörstück lässt Nachbarn über Nachbarn herziehen – und sie sich dabei Stück für Stück selbst entlarven. Tragisch, lustig und beängstigend.
DLF, Das Feature, April 2018
Hannah Hofmann und Sven Lindholm inszenieren ausschließlich aus O-Tönen bestehende Szenarien, die erschreckend vertraut erscheinen und kommentieren dabei – ohne mit einer einzigen Silbe den amerikanischen Präsidenten oder gesellschaftliche Zustände in Deutschland zu erwähnen – die aktuelle, durch Ängste und Aggressionen geschürte, politische Gemengelage.
epd medien, 27. April 2018
Nickligkeiten unter Nachbarn
Menschen schimpfen über ihre Nachbarn. Das erkennen die Hörer schnell. Die Schimpfenden reden in relativ ruhigem Tonfall, aber mit Ausdauer. Offenkundig sind die jeweils Beschimpften nicht anwesend. Dass sie sich gegenseitig in Abwesenheit beschimpfen, erscheint möglich, bleibt aber offen. Schimpfworte wie „Wichser“ und „Arschloch“ fallen schnell. Mal leiser mal lauter im akustischen Hintergrund erklingende Rhythmen treiben die Eskalation an. Ebenfalls wiederkehrende Diminutive wie „Leckerchen“ - die die einen ihren Hunden geben, deren Kot andere verärgert - und „Törchen“ mildern die Beschimpfungen nicht, eher im Gegenteil. Der titelgebende Donald ist so ein Hund, die Törchen befinden sich in Zäunen, mit denen die Menschen ihr Grundstück von dem ihrer Nachbarn abgrenzen. Das amtliche Verb dafür lautet „einfrieden“ und wird von denen, die zum Ärger anderer Zäune ziehen, gerne angewandt. Man hört genau hin bei dieser Collage und beginnt sich bald zu fragen, ob da tatsächlich irgendwo in Deutschland vorgefundene Nachbarn, „denen Anonymität zugesichert wurde“, wie es am Ende heißt, reden. Es wird weniger stockend und deutlich dichter gesprochen als in geläufigen Voxpops. Vielleicht würden echte Nachbarn noch Sätze wie „Ordnung halten muss sein“ sagen. Den Spruch „Gute Zäune machen gute Nachbarn“ gibt es wirklich, ergibt eine schnelle Internet-Suche. Ob es wirklich ein israelisches Sprichwort ist, sei dahingestellt. Doch spätestens, als einer jovial seinen Gedankengang teilt, er hätte seine voller „böser Energien“ steckende Vermieterin, als er in ihre Wohnung eintrat, um seinen Ärger kundzutun, eigentlich auch gleich erschlagen können, ist die Sache klar: Das würden selbst unbedarfteste Zeitgenossen noch so vertrauenswürdigen Radioreportern nicht anvertrauen. Würden sie es bloß denken oder auch tun? So steckt diese Collage voller versteckter und effizienter Widerhaken, die im klassischen Sinn zum Nachdenken anregen. Eine explizite Auflösung gibt es bis zum Ende nicht, sofern man nicht vorübergehende leichte Verfremdungen der Stimmen als hinreichend deutlichen Verfremdungseffekt interpretiert. Es gibt weitere Eskalationen, die hier nicht gespoilert werden sollen. Nur der Hinweis, dass sich das Feature für geschmacklich sensible Menschen weniger eignet, mag angebracht sein. Dass der Deutschlandfunk mit diesem krassen Stück seine vierteilige Reihe „Herd. Heimat. Hass. Über die Verlockungen rechten Denkens“ startete, ist ein weiterer anregender Widerhaken. Um Weltanschauungen und tagespolitsche Themen geht es, vordergründig zumindest, hier nicht. Funktionieren kann solch ein Experiment ausschließlich im Radio. Im Fernsehen, in dem auch die Bildebene bedient werden müsste, in dem per Videotext stets schriftliche Informationen zur Verfügung stehen, zu denen die Genre-Einordnung als Erstes gehört und dem ohnehin längst alle Uneindeutigkeit ausgetrieben wurde, geht so etwas nicht. Als Hörspiel jedoch funktioniert „Donalds Donald“ hervorragend.
Christian Bartels
Medienkorrespondenz, 4. April 2018
In Frage stellen
Rechtes Denken ist auf dem Vormarsch. Das verdeutlicht sich unter anderem an der Tatsache, dass in dieser Legislaturperiode eine rechtspopulistische Partei in den Deutschen Bundestag einziehen konnte. Höchste Zeit also, sich mit den Ursachen der Popularität der neuen Rechten zu beschäftigen. Der Deutschlandfunk tat dies Mitte April mit einer vierteiligen Feature-Reihe. Sie stand unter dem Titel „HERD. HEIMAT. HASS. Über die Verlockungen rechten Denkens“ und sie bestand aus jeweils in sich abgeschlossenen Einzelbeiträgen: zwei von Autorenduos und zwei von Soloautoren. Die einzelnen Stücke setzten einen je eigenen Schwerpunkt und gebrauchten für die Ausarbeitung ihrer Themen auch eine jeweils ganz eigene Ästhetik. Von konventionell bis avantgardistisch war alles dabei. Los ging es gleich mit dem extravagantesten Feature der Reihe: Die vom Kölner Autorenkollektiv Hofmann&Lindholm produzierte O-Ton-Collage „Donalds Donald“ – Hasstiraden, Kommandos und Liebesschwüre - bestand aus unkommentierten, von bedrohlich wummernder Musik begleiteten und manchmal in der Tonhöhe nach oben gepitchten Originalaussagen anonymer Interviewpartner, die Hannah Hofmann und Sven Lindholm im Rahmen ihrer Recherche in der ganzen Bundesrepublik gesucht hatten. Ziel war es, das Gewaltpotenzial zum Vorschein zu bringen, das ‘ganz normalen‘ deutschen Mietern und Eigenheimbesitzern innewohnt. Das aufzuzeigen, gelingt auf sehr überzeugende Art und Weise. Anfangs lächelt man vielleicht noch über verschiedene albern erscheinende Nachbarschaftsstreitereien, die sich um Lärmbelästigung, Grundstücksverläufe und ähnliche Kleinigkeiten drehen. Nach und nach vervollständigen sich jedoch die diversen, bruchstückhaft präsentierten Einzelgeschichten und völlig unscheinbare Menschen zeigen ein erschreckendes Maß an innerem Hass und machen dabei von derber Fäkalsprache Gebrauch. Man lernt: Allmachtsphantasien von diktatorischem Ausmaß muss man wohl jedem zutrauen. Hannah Hofmann sagte dem Deutschlandfunk dazu im Interview: „Wir wollten herausfinden, wie viel Trumpismus eigentlich in unseren vier Wänden haust, und zur Diskussion stellen, mit welchen Praktiken sich jeder Einzelne im Privaten abschottet.“
Rafik Will
DLF, Das Feature, Interview, 13. April 2018
HERD. HEIMAT. HASS. WIEVIEL TRUMP STECKT IN VIER WÄNDEN?
DLF: „Was hat Sie an dem Thema gereizt?“
Hofmann: „Seitdem Donald Trump verstärkt in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt ist, wird ihm oft eine narzisstische Störung unterstellt. Diese könnte man aber auch einer Gesellschaft attestieren, in der jemand wie Donald Trump zum Präsidenten gewählt wird. Wir wollten herausfinden, wie viel Trumpismus eigentlich in unseren vier Wänden haust und zur Diskussion stellen, mit welchen Praktiken sich jeder Einzelne im Privaten abschottet. Hierfür haben wir Menschen in ganz Deutschland getroffen, die uns ihre Irritationen, ihren Ärger und ihre Ängste gegenüber Nachbar*innen geschildert haben, deren Handlungs-, bzw. Lebensweisen sie nicht verstehen können oder auch nur allzu gut – als persönliche Herausforderung – zu verstehen meinen. Oder anders gesagt: Uns haben Ängste und Aggressionen in diesem besonderen Verhältnis der Nachbarschaft interessiert: Bei diesem Zusammenleben ohne zusammen zu leben.“
DLF: „Das Stück bildet den Auftakt zur Reihe „HERD. HEIMAT. HASS.“ Ein passender Beginn?“
Hofmann: „Wir finden den Titel sehr passend und vielversprechend, denn auch bei uns dreht sich alles um den in Deutschland köchelnden Herd. Uns ist wichtig, dass einem Thema wie Hass mit selbstkritischen Fragen begegnet wird. Dass es nicht nur dazu benutzt wird auf andere zu zeigen, um sich zu distanzieren, sondern dass es zu einer wirklichen Auseinandersetzung mit einem Thema kommt, dass wir alle ernst nehmen sollten.“
DLF: „Warum haben Sie sich auf das private Umfeld konzentriert?“
Hofmann: „Die eigenen vier Wände sind ein schützenswerter Rückzugsraum, der in der modernen Welt eine besondere Stellung einnimmt: Wir alle sind von so viel Wandel umgeben, dass wir manchmal fürchten, die Kontrolle über unser Leben zu verlieren. Dieser Verunsicherung wird in den eigenen vier Wänden mit einer privaten Abschottungspolitik nach außen begegnet. Das Gefühl der Unzulänglichkeit soll Zuhause bitte nicht aufkommen. Für Überraschungen möchte man selbst sorgen oder ihr Potential so gering wie möglich halten. Das eigene Heim ist ein Ort, an dem wir die Kontrolle auf jeden Fall behalten möchten.“
DLF: „Wie sieht diese Abschottung aus?“
Hofmann: „Zum Beispiel in Form von Putzen. Putzen hält den so genannten Status Quo aufrecht und bekämpft konsequent, was ihn verändert. Manche Menschen bauen Mauern oder Zäune um ihre Grundstücke, um auszuschließen, was die eigene Identität, den eigenen Lebensstil hinterfragen könnte. Auch im Hinblick auf die Vergänglichkeit spielt der Konservierungsgedanke im Eigenheim eine wichtige Rolle: Der Tod ist uns immer auf den Fersen. Zuhause scheint in besonderer Weise zu gelten, dass man nicht kontrollierbare Veränderungen in Schach, bzw. auf Abstand hält, insofern man sie nicht selbst bewusst herbeiführt. Da können einem dann eigenwillige, selbstbestimmte Nachbar*innen unter gewissen Umständen einen gewaltigen Strich durch die Rechnung machen. Wir haben in den Gesprächen gelernt, dass der Gedanke an ungewollte Veränderungen, an die eigene Vergänglichkeit immer wieder mitschwingt. Man will sein Leben im Griff haben und sich dem Tod durch Aufrechterhaltung der bestehenden Verhältnisse auch ein Stück weit entziehen.“
DLF: „Wie sind Ihnen die Menschen bei den Gesprächen begegnet?“
Hofmann: Anfangs waren viele skeptisch, weil die Anstiftung zur Diffamierung eines fremd vertrauten Gegenübers, also der eigenen Nachbar*innen – natürlich Misstrauen geschürt hat. Hier mussten wir erstmal eine Vertrauensbasis schaffen und klarstellen, dass wir unsere Gesprächspartner*innen nicht als fremde Andere brandmarken wollen, sondern als Stellvertreter*innen der Gesellschaft sehen. Als Menschen, denen wir – auch in den eigenen vier Wänden oder vorm Spiegel – unter gewissen Umständen täglich selbst begegnen könnten.“
DLF: „Haben Sie da eine Lust am Hass gemerkt?“
Hofmann: „Lust am Hass würde ich das nicht nennen, es geht tatsächlich eher um Verunsicherung und darum, diese Verunsicherung in den Griff zu bekommen, vielleicht auch mal Macht zu spüren und damit auch sich selbst. Eine gewisse Lust kam durchaus auf, die bezieht sich aber eher darauf, sich in etwas hineinzusteigern, auf dem sonst ein Deckel sitzt, als auf den Hass selbst.“
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