hiding piece
ChoreografieDer Schauplatz wird erst zum Ereignis, wenn das Publikum nicht mehr zu sehen ist.
In 'hiding piece' fordern Hofmann&Lindholm ihr Publikum dazu auf im Aufführungsraum zu verschwinden, sich unsichtbar zu machen oder in der Position stiller Beobachter*innen zu verharren.
Es gilt, sich den örtlichen Gegebenheiten anzupassen und in einer Szenerie von Schränken unterzutauchen, in der jedes Ding zum potentiell belebten Gegenüber wird. Vor dem Hintergrund global zunehmender Krisen und Gewaltbereitschaft thematisieren Hofmann&Lindholm die Zuflucht im toten Winkel, im Versteck, im Hinterhalt. Dabei beschränkt das Regieteam bewusst die Möglichkeit zur Einsicht, bietet aber auch Gelegenheiten für einen Perspektivwechsel im 4-Minuten-Takt.
Konzept, Text, Regie: Hannah Hofmann, Sven Lindholm
Von und mit: Lara Pietjou, Jan Rohwedder
Raum: Tommy Garvie, Selma Gültoprak, Hannah Hofmann, Sven Lindholm
Technische Leitung: Benjamin zur Heide
Produktionsleitung: Milena Cairo
Mitarbeit: Christian Minwegen, Conny Heuten
Trailer: Michael Straßburger
'hiding piece' ist eine Produktion von Hofmann&Lindholm in Kooperation mit dem Tanzhaus NRW sowie dem Künstlerhaus Mousonturm. Das Projekt wurde durch die Kunststiftung NRW und das NATIONALE PERFORMANCE NETZ (NPN) Koproduktionsförderung Tanz aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestags gefördert. Die Wiederaufnahme 2023 in Kooperation mit dem Kunstmuseum Bochum wird vom Fonds Darstellende Künste aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rahmen von NEUSTART KULTUR und der Kunststiftung NRW gefördert. Hofmann&Lindholm werden durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert.
Gastspiel
Kunstmuseum Bochum
Gastspiel
Kunstmuseum Bochum
Gastspiel
Kunstmuseum Bochum
Das Möbelstück
So hat man diesen Raum noch nicht gesehen. (...) Lange Reihen von verschiedenen Schränken und Kommoden säumen die Seiten des ansonsten leeren barocken Saals. Das Kölner Künstlerkollektiv Hofmann&Lindholm hat mit seinem 'hiding piece', das nun bei den Kunstfestspielen zu sehen war, allerdings mehr im Sinn als bloße Möbelpräsentation. (...) Das Versteckspiel ist durchaus geeignet, Urängste zu wecken. Auf Kommando kann einem dabei die Furcht vor dem Entdeckwerden überkommen oder der Schrecken des Entdeckens.
Stefan Arndt
Der Raum verändert sich
Gleichzeitig vermittelt diese ungewöhnliche Produktion aber auch das elektrisierende Gefühle einer Bühnengemeinschaft, die sich immer mehr zusammenfügt und ergänzt. Fast scheint man ein Mosaik wahrzunehmen, dessen Einzelteile wiederholt auftauchen oder sich ganz einfach selbstständig machen.
Alexander Walther
Wenn Schränke Leute ausspucken
Geistreiche Beschränkung [...]. Die Zuschauer wechseln im ‚hiding piece’ die Perspektiven, sie können sich viel Zeit nehmen, um das Spiel mit dem Innen und Außen auszuloten. Hinein in den Schrank, wo es dunkel ist, der eigene Atem und die Kleidung hörbar werden und die Unsichtbarkeit vielleicht beruhigt, an Kinderspiele erinnert oder an furchtbare Geschichten vom Versteckenmüssen. Auf die kriminellen Verstecker in den gängigen unscheinbaren Reihenhäusern, Garagen, Wohnmobilen (‚er hat immer nett gegrüßt’, werden die Nachbarn in den Nachrichten dann zitiert) weist diskret eine Vitrine auf der Bühne hin mit wechselnden Fotos und genau datierten Bildunterschriften. [...] So verknüpft die Performance ein schmerzhaft aktuelles Thema mit einer humorvoll komponierten Theatersituation des Betrachtens, Erwartens, Horchens, des Auftauchens und Verschwindens.
Melanie Suchy
Hofmann&Lindholm 'hiding piece'
Aus Tagespolitik wird eine Kunstausstellung. (...) Die Gedanken wandern: Flüchtige in den Zwischenböden von Fahrzeugen. Menschen in Todesangst im Versteck. Anne Frank. Was heißt überhaupt Versteck? Schutzraum, Gefängnis oder Falle? (...) Hofmann&Lindholms Bewusstseins-Intervention ist eine beunruhigende Herausforderung.
Bettina Trouwborst
Als könnten sie reden, sich öffnen und sich offenbaren
Handelt doch 'hiding piece' titelgemäß vom Verstecken und überrascht damit, dass in der einfachen Anordnung des Geschehens so viel steckt, erlebt, gefühlt, gedacht werden kann. Ein Bravo an die Konstrukteure Hannah Hofmann und Sven Lindholm, in deren Inszenierungen das Verschwinden immer wieder Thema ist. (...) Von oben betrachtet, wird das wortlose Geschehen zu einer Choreografie. Statik und Dynamiken wechseln, rasche Schritte, lungerndes Stehen. Man sieht Leuten beim Horchen und Betrachten zu, beim Auftauchen und Verschwinden. (...) Dabei gibt sich die großartige Inszenierung friedlich, bedrängt das involvierte Publikum nicht. Sie offeriert ein Spiel – zu gewinnen gibt es Kunst mit Sinnen und Verstand.
Melanie Suchy
hiding piece
Was man Wirklichkeit nennt, das verschwindet im Als-ob. Realität ist von ihrer Simulation nicht mehr zu unterscheiden. So die These des späten Jean Baudrillard. Der französische Soziologe hatte natürlich nicht das Theater im Sinn, sondern den Schein der allmächtigen und allherrschenden Medien, der die Wirklichkeit verschlucke. Baudrillard war der Meinung, dass deshalb alles längst verschwunden ist oder kurz davor steht: die Welt und das Reale, der Mensch, und die Dinge, die Moral, die Unterscheidung von Gut und Böse. Und dennoch hat er in seinem kleinen grünen Büchlein „Warum ist nicht alles schon verschwunden?“ die andauernd dagegen revoltierende Sehnsucht beschrieben, zu sehen wie die Welt in unserer Abwesenheit aussieht. Jene Sehnsucht mag das Künstlerkollektiv Hofmann&Lindholm auch erfasst haben, die in ihrer neuen Arbeit ‚hiding piece’ an drei Tagen den Bühnenraum eigens für das Verschwinden öffnen (...) Es ist ein typisches Projekt für die Subversionsaktionisten. Die Künstler suchen in ihren Arbeiten immer nach dem Potential unseres Alltags, erproben Handlungsspielräume und schaffen Perspektivwechsel. Zu Recht zählen Hofmann&Lindholm zu den spannendsten freien Gruppen!
Ulrike Westhoff