Keep the Cat In at Night
staging in/securityAn der Wiege der Sicherheit.
Nachts im Museum auf sich allein gestellt
verfolgt von Security.
In diesem Projekt wird mit Sicherheitskräften kooperiert. Übertritten wird durch Überwachung entgegengewirkt. Beteiligte könnten sich unwohl fühlen.
22., 23. + 24.3.2024
time slots zwischen 18 Uhr 30 und 4 Uhr
jeweils ca. 1 1/2 Stunden
Infos + Anmeldung ab 1. Februar unter:
catatnight@hofmannundlindholm.de
Begrenze Teilnehmer*innenzahl.
Teilnahme ab 18 Jahren.
Am Mittwoch, den 3. April findet ein Publikumsgespräch um 18 Uhr im Kunstmuseum Bochum statt.
Alle Interessierten sind herzlich willkommen!
Eintritt frei.
Hofmann&Lindholm stiften ihr Publikum zu einem Einbruch an: Teilnehmer*innen wird die Möglichkeit geboten, einzeln im Dunklen bei deaktivierter Alarmanlage über ein Schlupfloch ins Innere des Kunstmuseums in Bochum zu gelangen und - gefolgt von einer Entourage aus Objektschützern - den Ausstellungsbereich in Eigenregie zu erkunden.
Bei der Inszenierung handelt es sich – entgegen der gängigen Marktlogik – um ein irritierend exklusives Setting. Interessierte ab 18 Jahren können time slots zwischen 18 Uhr 30 und 4 Uhr morgens buchen. Sie finden sich pünktlich zur verabredeten Zeit an einem bestimmten Ort in Bochum ein, werden dort abgeholt, eingewiesen und schließlich nahe des Museums abgesetzt, um sich über einen Hintereingang selbst Zutritt ins Gebäude zu verschaffen.
Die konzeptionelle Verabredung lautet dabei wie folgt:
"Heute ist die Alarmanlage deaktiviert. Das Kunstmuseum steht unter Polizeischutz. Sie können zwischen drei ungewohnten Zugängen wählen, um in das Gebäude zu gelangen. Dabei sind Sie auf sich allein gestellt. Ausgestattet mit einer Taschenlampe können Sie sich im Ausstellungsbereich frei bewegen. Hierfür haben Sie 30 Minuten Zeit. Um die Exponate zu schützen, wurden Sicherheitskräfte engagiert, die Ihnen im Inneren des Hauses folgen. Nachdem Sie auf eigene Gefahr ins Gebäude eingedrungen sind, gilt folgende Regel: Sobald Sie sich umdrehen und ein Blickkontakt entsteht, endet die Aufführung.“
Nachrichten über kriegerische Auseinandersetzungen, politische Umwälzungen und Umweltkatastrophen sorgen ebenso wie gezielt in Umlauf gebrachte Szenarien von Überfremdung und Werteverfall für anhaltende Irritationen in aktuellen gesellschaftlichen Debatten. Sicherheit wird dabei so viel Gewicht verliehen wie kaum je zuvor. Einer Umfrage zufolge sind es mehr als 80 Prozent der Deutschen, die den Verlust von sicher geglaubter Identität, die Störung der sicher geglaubten Ordnung, die De-stabilisierung sicher geglaubter Überzeugungen mehr als alles andere fürchten. Mit dieser Spannungslage setzen sich Hofmann&Lindholm in ihrer aktuellen Arbeit nach dem Motto staging in/security auseinander.
Konzept/Regie: Hannah Hofmann, Sven Lindholm
Assistenz/Projektorganisation: Christian Minwegen, Marie Hewelt, Friederike Kemmether
Technische Beratung: Amir Sahatqija
Mitarbeit: Philipp Blömeke, Christina Böckler, Selma Canbay, Nicole Haase, Hartmut Keuper, Nadine Knick, Sandra Linn, Sylvia Nickolmann, Yasemin Peken, Provisorische Gesellschaft (Bochum)
Security (Innenraum) : Arnulf Schüffler, Schüffler Security
Einsatzkräfte in Zivil (Außenraum) : Steven Brüggemann, Mark Elbers, Julia Grela, Sven Heintze, Patrick Henkel, Jan Papenheim
Mit besonderem Dank an: Gaspar Duhanaj, die Kortum Gesellschaft Bochum e.V. sowie das Polizeipräsidium Bochum
„Keep the Cat in at Night“ ist Teil der einjährigen Programmreihe „Provisorische Gesellschaft“ von Hofmann&Lindholm in Kooperation mit dem Kunstmuseum Bochum. Sie wird gefördert von der Kunststiftung NRW, dem Fonds Darstellende Künste aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rahmen von NEUSTART KULTUR sowie dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.
Kunstmuseum Bochum
Kunstmuseum Bochum
Kunstmuseum Bochum
Nachts im Kunstmuseum Bochum
Mit einer Taschenlampe ausgestattet werde ich in der Nähe des Museums abgesetzt, laufe über die verlassenen Straßen und muss mir mittels eines speziellen Griffs eigens Zutritt über die Sicherheitstreppe verschaffen. Innerhalb des Museums sind Licht und Alarmanlage ausgeschaltet, erwarten mich Objektschützer mit den Gesichtern zu den Wänden gewandt. Als ich mich durch die dunklen Räume zu bewegen beginne, folgen sie mir, spüre ich beinah ihren Atem in meinem Nacken. Mir ist bewusst, dass sobald ich mich umdrehe und ein Blickkontakt entsteht, die Aufführung sofort endet. Diesen Drang unterdrückend habe ich eine halbe Stunde Zeit, das Museum bei Nacht zu erkunden. [...] . Im Schein der Taschenlampe bin ich fasziniert von den Schattenspielen, die sich auf den Wänden hinter den Skulpturen abzeichnen. Im verlassenen Museumscafé fühlt es sich schließlich an, als würde ich durch eine apokalyptische Geisterstadt streifen. [...] Wer beobachtet hier wen? Die Aktion widmet sich faktischer und gefühlter Sicherheit, relevant in fast allen aktuellen Diskursen. In jedem Fall ein unvergesslicher Museumsbesuch.
Julia Stellmann
Nachts im Museum. Einbruch ins Kunstmuseum Bochum mit Hofmann&Lindholm
Wer hat nicht schon mal davon geträumt, eine Nacht allein im Museum zu verbringen? Dank des Projekts „Keep the Cat in at Night“ von Hofmann&Lindholm ist der Traum am vergangenen Wochenende für einige wenige Auserwählte zwischen 18.30 Uhr und 4 Uhr morgens Realität geworden. Im Rahmen eines simulierten Einbruchs hatten die Teilnehmenden verfolgt von Objektschützern eine halbe Stunde Zeit allein im Kunstmuseum Bochum. Nur eins durften sie auf gar keinen Fall: sich umdrehen! [...] Im Gebäude angekommen, erwartet mich ein seltsames Szenario, das direkt aus einem Horrorfilm stammen könnte. Mehrere Security-Mitarbeiter stehen mit den Gesichtern zu den Wänden im Flur. Als ich mich in die finsteren Räumlichkeiten des Museums vortaste, höre ich ihre Schritte hinter mir, spüre ihren Atem in meinem Nacken. Ich widerstehe dem Drang, mich instinktiv zu meinen Verfolgern umdrehen zu wollen. Der Lichtkegel der Taschenlampe fällt auf die Exponate der ständigen Sammlung. Gleich meinem Blick huscht er über Gemälde, Skulpturen und Installationen, verweilt manchmal, solange bis beide weitereilen. Je länger ich die Werke aber betrachte, desto mehr verliere ich mich in der seltsamen Atmosphäre. [...] Angesichts der Kunst vergesse ich beinah die Entourage an Sicherheitspersonal hinter mir, bis ihre Schritte auf der Treppe nach unten laut widerhallen. [...] Wer beobachtet hier wen? Und wer beschützt wen? [...] Höchstmöglicher Schutz der Objekte trifft auf Forderungen nach mehr Zugänglichkeit, Partizipation und Nähe. Der simulierte Einbruch findet in einer Grauzone statt, schafft eine äußerst fragile Situation. Es könnte schier alles passieren. Sicher aber ist, auch wenn ich eine lausige Einbrecherin wäre, ich diesen Museumsbesuch wohl nie mehr vergessen werde.
Julia Stellmann
Choreografie der Sicherheit
Was für ein Aufwand. Was für ein Gefühl der Unsicherheit, der Ungewissheit, des Nervenkitzels. Was für eine fragile Situation, in die uns Hofmann&Lindholm hineinmanövrieren. Das Künstler:innenduo entwickelt immer wieder Konzepte und schafft Momente, in denen sich Publikum und Projektbeteiligte verhalten müssen. Zurücklehnen und Zuschauen ist da nicht. [...]. Jetzt betrete ich allein diesen Ort, im Dunkeln, und begegne direkt lauter großen Rücken der Sicherheitskräfte. In der nächsten halben Stunde folgen sie mir bei jedem Schritt. [...] Ein choreografiertes Konzept von Sicherheit. Schützen sie die Kunstobjekte oder mich? Aufpasser oder Verbündete? Und wer beobachtet eigentlich wen oder was? Hofmann&Lindholm hebeln in ihrem Projekt Gewöhnlichkeiten aus, testen Grenzen des Machbaren und ermöglichen so Abwege. [...] Hofmann&Lindholm führen nicht vor, sie beschreiben und bewerten nicht. Ihre künstlerische Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Gegebenheiten ist eine, die diese erfahrbar, die sie fühlbar macht. Das ist naturgemäß auch riskant, für alle Beteiligten. Dieser nächtliche Gang durchs Museum war nicht gruselig, kein Geisterbahn-Schauer, kein konstruiertes Räuber-und-Gendarm-Spiel. Es war eine Begegnung mit dem Ungewissen, ein permanentes Sich-selbst-befragen (wohin gehe ich ich, wie handle ich, was darf ich und was traue ich mich?), ein doppeltes Spiel mit der (Un)Sicherheit. Wenn am Ende ein Signal ertönt, der Security-Chef mich nach draußen geleitet, plötzlich spricht und sich freundlich vorstellt, dann ist da Erleichterung – aber auch der sehnliche Wunsch, noch einmal zurückzukehren an diesen besonderen Ort der erzählenden Stille.
Sarah Heppekausen
Wie es ist, in ein Museum einzubrechen
Stellen Sie sich diese Situation vor: „Heute ist die Alarmanlage deaktiviert. Das Kunstmuseum steht unter Polizeischutz. Sie können zwischen drei ungewohnten Zugängen wählen, um in das Gebäude zu gelangen. Dabei sind Sie auf sich allein gestellt. Ausgestattet mit einer Taschenlampe können Sie sich im Ausstellungsbereich frei bewegen. Hierfür haben Sie 30 Minuten Zeit. Um die Exponate zu schützen, wurden Sicherheitskräfte engagiert, die Ihnen im Inneren des Hauses folgen.“ [...] Ich bin nervös, habe ein mulmiges Gefühl. Ist es wirklich eine gute Idee, in ein Museum einzubrechen? Es handelt sich um eine Kunstaktion, ist legal – klar. Trotzdem fühlt es sich erstaunlich real an, als ich, wie verabredet, 15 Minuten später in den großen weißen Transporter steige, der soeben vor mir gehalten hat. [...] In der aktuellen gesellschaftlichen Debatte werde dem Thema Sicherheit so viel Gewicht verliehen wie kaum je zuvor, dafür würden Nachrichten über Kriege, Umweltkatastrophen und politische Umwälzungen sorgen. Das Künstler-Duo möchte sich mit der aktuellen Arbeit mit dieser Spannungslage auseinandersetzen.
Carolin Rau
Nachts im Museum, allein mit der Kunst. Das ist eine besondere Erfahrung die kaum jemandem vergönnt ist. Klar, es gibt Nachtführungen wie im Neuen Museum Nürnberg oder auch mal Installationen, in die Künstler zum Übernachten bitten. Carsten Höller etwa lud 2010 in seinen psychedelischen Streichelzoo "soma" im Hamburger Bahnhof, wo man ein Bett neben Rentieren buchen konnte. Das Künstlerduo Hofmann&Lindholm, hinter dem sich das preisgekrönte Regie- und Autorenteam Hannah Hofmann und Sven Lindholm verbirgt, geht viel weiter: Es stiftet das Publikum zum Einbruch ins Kunstmuseum Bochum an. Das läuft erschreckend real ab. [...] Kein Licht, keine Alarmanlage stören. Nur die eigene Taschenlampe weist den Weg, dafür verfolgt die Security den Nachtschwärmer. Eine halbe Stunde lang hat man Zeit, wer Blickkontakt mit der Security aufnimmt, fliegt raus.
Gabi Czöppan