© Hannah Hofmann
Vom Feuer © Hannah Hofmann
© Hannah Hofmann

Vom Feuer

Inszenierung

Übung zur Katastrophenbereitschaft im Theater

'Vom Feuer' handelt von realen Tragödien, die der Alltag entfacht und von imaginären Bränden auf den Bühnen der Schauspielhäuser, sowie von der Sehnsucht, im richtigen Moment das Richtige zu tun. Vier Berufsfeuerwehrleute sind Experten für Gefahrenabwehr und Deeskalation und als Brandschutzwachen für die Sicherheit im Theater zuständig. Anhand von Fallbeispielen aus der Literatur- und Theatergeschichte (wie zum Beispiel Käthchen von Heilbronn, Nathan der Weise, Götz von Berlichingen) erteilen sie anschauliche Lektionen hinsichtlich der Handlungsbereitschaft im Ernstfall und bereiten ihr Publikum so auf kommende Ereignisse vor. Es lernt nicht nur, wie es sich im Notfall zu verhalten hat, sondern auch, wie ein Totmann-Warner funktioniert, was die Rechts-Regel bedeutet und wann eine toxische Atmosphäre im Zuschauerraum entsteht. Hofmann&Lindholms flammendes Plädoyer beleuchtet das Theater als gesellschaftlichen Raum, der einerseits geschützt ist durch die künstliche Situation der Aufführung und zugleich stets gefährdet durch den Einbruch der Realität.

Mit: Joachim Berger, Jan Mallmann-Kallenberg, Günter Nuth, Andreas Spiekermann und Roland Strack
Kontept, Text, Regie, Film: Hannah Hofmann, Sven Lindholm
Raum: Christian Schreckenberger
Assistenz: Katrin Felzmann
Mitarbeit: Sebastian Schulz

'Vom Feuer' ist eine Produktion von Hofmann&Lindholm in Koproduktion mit dem FFT (Düsseldorf) und dem HAU (Berlin). Gefördert durch die Kunststiftung NRW, das Kulturamt der Landeshauptstadt Düsseldorf und den Fonds Darstellende Künste e.V..

Termine
25. November 2006
HAU (Berlin)
25. – 28. Januar 2006
Uraufführung

FFT (Düsseldorf)
Rezensionen
Berliner Tagesspiegel, 28. Oktober 2006
„Herr Mallmann-Kallenberg, ein ‚Deeskalationsexperte’, fordert uns auf, ‚die Situation aktiv mitzugestalten’. Demnach sitzen wir in einem brennenden Haus, zittern am ganzen Leib und sehen unser letztes Stündlein nahen. Herr Mallmann-Kallenberg rät, stoisch die Geburtsdaten aller Familienmitglieder abzurufen. Der ‚doku-fiktionale’ Abend heißt ‚Vom Feuer – Eine Übung zur Katastrophenbereitschaft im Theater’, entstammt dem Regie- und Autorenduo Hofmann & Lindholm und vermittelt die Erkenntnis, dass es ‚nicht schlecht ist, immer eine Axt bei sich zu haben’. Oder dass Lessings Dramenfigur von Stauffen, der in ‚Nathan der Weise’ die herzige Recha aus den Flammen errettet, seinen Einsatz durch eine Art Entengang und dass das Kleistsche ‚Käthchen von Heilbronn’ seine ‚Feuerprobe’ durch einen fachkundig verfertigen ‚Bremsknoten’ hätte optimieren können. Auf der Bühne des HAU 3 stehen Spezialisten: Berufsfeuerwehrleute aus Köln und Düsseldorf. Der Experte ist en vogue auf dem Theater, zumindest in den Trend setzenden Spielstätten der freien Szene. Eines allerdings ist sämtlichen aktuellen dokumentarischen Ansätzen gemein: Nebulöse Erinnerungen an Maßnahmen, wie sie Peter Weiss in den sechziger Jahren in seinen ‚Notizen zum dokumentarischen Theater’ verkündete (‚Das dokumentarische Theater ist parteilich’ oder ‚tritt ein für die Alternative, dass die Wirklichkeit, so undurchschaubar sie sich auch macht, in jeder Einzelheit erklärt werden kann’) müssen nicht reaktiviert werden. Kein ernst zu nehmender heutiger Doku-Regisseur geht von einer Kategorie wie Wahrheit aus – schon gar nicht von einer, die es schlicht zu enthüllen gälte. Die Leistung, die das Genre im gelungensten Fall erbringen kann, besteht vielmehr darin, die Mechanismen offen zu legen, nach denen die vermeintlichen Wahrheiten konstruiert werden - und der grassierenden Eindimensionalisierung eine Vielfalt einander kommentierender oder auch dekonstruierender Perspektiven entgegen zu setzen.“
Vortrag, 10/2006
Medientheater
Wenn 'Vom Feuer' von der Sehnsucht handelt, im richtigen Moment das Richtige zu tun, [...] dann werden der Katastrophenschutz zum Theater der Gesellschaft und das Theater zum Katastrophenschutz der Gesellschaft; und dies sogar ganz wörtlich, wenn es stimmt, dass unsere Angst im Umgang mit natürlichen und gesellschaftlichen Katastrophen in dem Maße abnimmt, in dem wir uns mit der Möglichkeit dieser Katastrophen beschäftigen, also in den Umgang mit der Angst vor ihnen investieren. Das Theater hat sich immer schon damit beschäftigt, wie Katastrophen entstehen und abgewendet werden können. Und gesellschaftliche Interventionen haben sich immer schon bei Bedarf auch der Formen des Theaters bedient, etwa wenn auf einer Karnevalssitzung in der Köln Arena im Februar 2003, wie in 'Vom Feuer' erzählt wird, achttausend Zuschauer panikvermeidend nach einer Bombendrohung aus der Halle evakuiert werden, indem der Sitzungspräsident zur 'längsten Polonaise der Welt' auffordert. Man fühlt sich an Alexander Kluge erinnert, der die Überblendung von einst so sauber getrennten Wissensordnungen zum Prinzip der Erkundung der vielen Arten und Weisen gemacht hat, in denen wir uns in unserer Welt einrichten und unbehaust fühlen."
Dirk Baecker
WDR 5 / Scala, 04/2006
„In ihrem neuesten Stück ‚Vom Feuer’ dreht es sich um Katastrophen, genau genommen, um Brände auf Theaterbühnen und was zu tun ist, wenn das Schlimmste wirklich eintritt. [...] Wenn im Theater der Vorhang aufgeht, sitzen vier Männer bereits unscheinbar in einer Ecke. Hellwach und hoch konzentriert beobachten die Feuerwehrleute alles, was auf, hinter und vor der Bühne passiert. Alles kann in einer Katastrophe und Panik münden, mit diesem Gedanken sehen Feuerwehrleute jedes Theaterstück. Sie achten auf ungewöhnliche Geräusche und Gerüche. Aber nur wenn es brennt und knallt, treten sie in Erscheinung. Diese Aufgabenteilung haben die Kölner Regisseure Hannah Hofmann und Sven Lindholm auf den Kopf gestellt. Sie verstehen sich als Grenzgänger zwischen Theater und Bildender Kunst und setzen das in ihrem Stück ‚Vom Feuer’ um. Vier wirkliche Feuerwehrleute holen sie dafür ins Rampenlicht. Und dort erklären die eingespielten Retter, was zu tun ist, wenn es wirklich brennt.Um diese Anweisungen für den Notfall anschaulich zu machen, haben Hofmann & Lindholm in klassischen Theaterstücken wie ‚Das Käthchen von Heilbronn’ und ‚Nathan der Weise’ literarische Katastrophen gesammelt. Hofmann & Lindholm lassen die Wirklichkeit in den abgeschlossenen Raum der Bühne eindringen. [...] Handlungsanweisungen geben, ist das Markenzeichen ihrer Inszenierungen und das geschieht in dem Stück ‚Vom Feuer’ durch und durch unterhaltsam und spannend, schließlich droht jede Minute eine Katastrophe."
NRZ, 27. Januar 2006
„Andreas Spiekermann, Jan Mallmann-Kallenberg, Günter Nuth, Roland Strack. Sie sind die Helden des Abends Entspannte Helden. Gerade und stolz, ohne aufzuschneiden. Durchtrainiert, geschult und hellwach. Klar, humorvoll, selbstironisch. Sie haben die Lage im Griff. Wissen, wie man das Rettungsseil schnürt, knotet, es wieder verpackt, bleiben zu jeder Zeit ruhig. Selbst ihre eigenen Traumata haben sie unter Kontrolle. Und seit Mittwoch auch die Kammerspiele des FFT. Und zwar 300-prozentig: Zwei Brandsicherheitswachen sitzen wie immer im Zuschauerraum, vier Experten für Gefahrenabwehr und Deeskalation stehen auf der Bühne Auch bei ihrer neuen Produktion ‚Vom Feuer’ setzt das Regie-Duo Hofmann & Lindhalm auf Spezialisten des Alltags, diesmal auf Berufsfeuerwehrleute aus Düsseldorf und Köln, die ihren Auftritt fast mühelos hinlegten, Türen einschlugen, über die Bühne robbten und dabei charmant ins Publikum lächelten. Neben diesen Männern wirkt der Schauspieler Joachim Berger, eingesetzt als Rezitator und Moderator, etwas fad. Auch er hat schon 37 Katastrophen miterlebt - allerdings auf der Bühne: darunter acht Hausbrände, vier Schlossbrände, ein Stadtbrand. Als Tempelherr rettete er die Adoptivtochter des weisen Nathan, überließ als Graf Wetter vom Strahl die Rettung des Käthchens einem Cherub und legte vor den Augen des Götz den Brand im Dorfe Miltenberg. Doch dann starten vier smarte Brandspezialisten ihre Analyse: Was genau ist passiert? [...] Aha: Verschlossene Fenster. Rauchentwicklung. Gefahr der Panik. Wer kann helfen und womit? Über welche Wege kann man zu ihr eindringen? Zusätzliche Gefahren? Im Laufe des Abends lehren die vier uns die richtigen Knoten, die richtigen Griffe, die stabile Seitenlage, den flachen Atem, den ruhigen Geist. ‚’Falls Ihnen auf der Flucht eine Tür begegnet, die sich zu Ihnen hin öffnet, dann können Sie davon ausgehen, dass Sie in die falsche Richtung laufen.’ Sehr komische Momente hat diese Überkreuzung von szenischer Fiktion und Brandschutzerziehung. Letztere gehört zu den Aufgaben unserer feurigen Helden, die sie uns besser nicht hatten geben können.“
Westdeutsche Zeitung, 27. Januar 2006
Betont nüchtern haben Hofmann & Lindholm ihr Projekt benannt, und betont nüchtern beginnt der Abend mit einem einführenden Vortrag des Schauspielers Joachim Berger - dem einzigen hauptberuflichen, denn die anderen vier Akteure sind fachfremd bzw. Fachleute, die auf der Bühne Schauspieler darstellen. Während der echte Schauspieler eigentlich gar keine richtige Rolle spielt, sondern nur sich selbst. Verwirrend? Willkommen in der Welt des Gießener Instituts für angewandte Theaterwissenschaft! Dort haben die beiden Regie Führenden nämlich studiert und gründlich gelernt, Wirklichkeit zu hinterfragen und Gelerntem zu misstrauen - zum Beispiel, dass das Theater Schauspieler brauche. Eines ist klar: Es geht auch mit Feuerwehrmännern. Jan Mallmann-Kallenberg, Günter Nuth, Andreas Spieckermann und Roland Strack sind nicht nur Angestellte der Berufsfeuerwehr und Experten für Brandschutz, Gefahrenabwehr oder Deeskalation, sondern auch die perfekte Besetzung - und ziemlich coole Typen. ‚Vom Feuer’ ist derweil gar kein Theater, sondern eine Übung. Dennoch handelt es sich bei ‚Vom Feuer’ wahrscheinlich um den nützlichsten und effektivsten Theaterabend aller Zeiten. Schließlich lernen die Zuschauer nicht nur, wie sie sich im Notfall zu verhalten haben, sondern auch, wie ein Totmannwarner funktioniert, was die Rechts-Regel bedeutet und wann eine toxische Atmosphäre entsteht. Wie Axt und Schweizer Messer einzusetzen sind, wenn's drauf ankommt. Und sie lernen Fallbeispiele kennen, die von den Katastrophen im Theater erzählen."
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